Treffpunkt Luise-Kiesselbach-Platz, ein verregneter Sonntag im August. Carola, Tina, Abbas, Katharina und Patricia sind startbereit. „Haben wir auch alles dabei? Ist der Rucksack zu schwer? Wie wird das Wetter?“. Das sind unsere Gedanken auf der Fahrt Richtung Bodensee, weiter durch Liechtenstein bis zu unserem Startpunkt nach St. Antönien, im Kanton Graubünden in der Schweiz. St. Antönien ist seit dem Jahr 2021 das erste Bergsteigerdorf der Schweiz. Wir laufen bei leichtem Regen los, vorbei an urigen Bergbauernhöfen. Da kommt uns das „Alpenrösli“ gerade recht, wo wir uns eine „heiße Schoggi“ eine richtige Schweizer Caotina gönnen! Weiter geht’s vorbei am idyllischen Partnunsee, wir könnten auch eines der drei Ruderboote zum Durchqueren nehmen, aber die Wolken hängen tief und das Wetter lädt nicht dazu ein. Auch Patricias neuer rosa Regenanorak ist wasserdicht, Abbas trumpft mit seinem Regenschirm auf. Kurz bevor wir die Tilisuna Hütte, die wieder in Österreich liegt, erreichen, geht der Regen in Schnee über.
Am nächsten Morgen liegt Schnee, die Wolken hängen tief, es ist neblig. Unser Plan auf die Sulzfluh zu gehen, macht deshalb keinen Sinn. Wir stapfen warm eingepackt los. Patricia sucht unter dem Schnee Kohlrösli, die nach Vanille duften. Den Platz kennt sie noch vom Vorjahr, als der ganze Grat nach Vanille gerochen hat. Das Vorhaben scheitert, weil der Schnee auf dem steilen Grashang zu rutschig ist.
Die Gegend ist ein wahres Blumenparadies (vor allem ohne Schnee). Die Ursache für diese außergewöhnliche botanische Vielfalt liegt im Untergrund. Durch das Rätikon verläuft die geologische Grenze zwischen den tektonischen Einheiten Ost- und Westalpin, also ehemals in Afrika bzw. Europa abgelagerten Gesteinen.
Wir freuen uns über die dunkelblauen Blüten des Rittersporns, die aus dem Schnee herausragen. Der Abstieg führt uns in Serpentinen zur schönen Lindauer Hütte. Am Nachmittag lassen wir es uns bei Apfelstrudel und Kürbissuppe gut gehen.
Leider ist der Botanische Garten der Hütte schon geschlossen, da schon viele Blumen verblüht sind. Katharina genießt die Zeit bis zum Abendessen im gemütlichen Leseraum, der modern umgebauten Hütte.
Der nächste Tag verspricht Wetter -besserung! Wir laufen über den Öfapass zum Schweizer Tor, weiter übers Verajoch zum Lünersee. Auf der Lünerseealpe lassen wir uns Buttermich, Kaffee und Kuchen schmecken. Carola krault eine Kuh, während Abbas die Hühner füttert, Patricia mit den Ziegen kämpft und Tina mit Katharina den Kuchen vor den restlichen Kühen verteidigt. Ein lustiger Aufenthalt, fast wie beim Ziegen-Peter und Heidi auf der Alm.
Wir steigen noch das steile Stück hinauf und erreichen die Totalphütte. Dort ereignete sich im schneereichen Januar 2019 eine Katastrophe. Eine riesige Staublawine ging von der gegenüberliegenden Talseite ab. Diese schoss vom Tal nochmal mühelos die über hundert Meter hinauf und fegte mit voller Wucht die Totalphütte fast komplett hinweg. Glücklicherweise hielt sich niemand in der Hütte auf! „Es war eine Jahrhundertlawine, ein Riesenpech! So etwas kann einfach passieren, der Mensch ist dabei machtlos“ sagt der Hüttenwirt Christian Beck.
Schon im nächsten Sommer 2020 konnte die Hütte wieder für Tages und Übernachtungsgäste öffnen. Der Neubau der Hütte wurde sogar mit dem Vorarlberger Holzbaupreis prämiert. Außen mit Holzschindeln verkleidet, im Inneren einladend durch helles Holz und moderne Architektur. Neben dem gemütlichen Specksteinofen lassen wir uns das Drei Gänge Menü schmecken.
Der nächste Morgen überrascht uns mit strahlend blauem Himmel und Sonne pur! Die Königsetappe unserer Tour führt uns durch den Neuschnee auf den Gipfel der Schesaplana. (2962m). Das Panorama gehört zu den besten der ganzen Alpen! Im Abstieg bewältigen wir zunächst den Klettersteig, der noch mit Drahtseilen gesichert ist. Danach den „Schweizer Steig“, der durch den Neuschnee und durch die extreme Ausgesetztheit grenzwertig war.
Nach neun Stunden erreichen wir erschöpft die gemütliche Schesaplana Hütte (SAC). Wir sind alle sehr froh, diesen anspruchsvollen Abstieg gemeistert zu haben. Wir sinken todmüde in unsere Lager im Winterraum.
Auch heute Morgen strahlt die Sonne und wir machen uns auf den Weg auf dem Prättigauer Höhenweg. Wir laufen durch wunderschöne Landschaften, mit vielen Schaf- und Kuhherden, vorbei an den gigantischen Felsformationen des Rätikons, die Kirchlispitzen, Drusenfluh zur Sulzfluh. Kurz vor Erreichen der Carschinahütte sehen wir den Heli die Felswände der Sulzfluh absuchen. Am Morgen hatte sich ein großer Felssturz ereignet.
Warm eingepackt, können wir beim Abendessen draußen vor der Hütte den Sonnenuntergang genießen. Auch diesmal sind wir im Winterraum untergebracht. Weil es drinnen genauso kalt wie draußen ist, heizen wir den Ofen ein und verbringen einen gemütlichen letzten Abend im Gebirge.
Der letzte Tag führt uns über die Carschina Furgga an vielen Wollgraswiesen vorbei, hinunter zurück nach St. Antönien, wo unser Auto wartet.