Freitagmittags ging es los ins Wallis, wo wir nach einer kurzen Nacht in einem billigen Hotel am Bahnhof Zermatt uns zur ersten Gondelfahrt auf das Klein-Matterhorn aufmachten.
Für Frühstück war keine Zeit, ein Müsli in Riegelform gepresst reichte. Das Matterhorn wurde schon in ein surreales goldenes Licht gehüllt, da machte endlich die Kasse mit der gewohnten Schweizer Pünktlichkeit auf. Zusammen mit den ersten Bergführern, Touristen und Profi-Skifahrern aus Finnland, Lichtenstein und der Schweiz ging es mit dem Lift los.
Oben auf 3.817 m angekommen, dauerte es nur ca. 1,5 Stunden und wir standen auf unserem ersten 4.000er dem Breithorn Westgipfel mit 4.164 m. Um sich nicht nur höhentechnisch zu akklimatisieren, sondern sich auch an den lokalen Felsen und die dortige Kletterei in luftiger Höhe zu gewöhnen, hatten wir uns die komplette Breithorn Traverse von West nach Ost vorgenommen, also entgegen der üblichen Richtung.
Der Vorteil war, dass wir so ziemlich gut zur Refugio Guide della Val d´Ayas (3.370 m) absteigen konnten und bis auf ein paar entgegenkommende Seilschaften allein unterwegs waren. Das Wetter war zu diesem Zeitpunkt noch genial und die Sicht atemberaubend. Obwohl wir sicher und zügig unterwegs waren und überwiegend am gleitenden Seil über Köpfel und Zwischensicherungen sicherten, dauerte es fast 9 Stunden bis wir auf dem Letzen der insgesamt fünf 4.000der standen, dem Roccia Nera mit 4.075 m.
Den Stau der laut schreienden Italiener an der Schlüsselstelle an den Zwillingen umgangen wir, da wir diese eh sonst nur abgeseilt wären. Aber dafür fand Sven extra für mich noch eine neue Schlüsselstelle am östlichen Breithornzwilling (damit ich auch noch was richtig zu reißen hatte) 😉.
Nebel zog auf. Glücklich, aber ziemlich erschöpft machten wir uns bei immer dickeren Wolken durch den Schnee runter Richtung Hütte, um nicht noch in das angesagt Gewitter gegen 18:00 Uhr zu kommen. Und nein, es gibt keine gute Abkürzung zwischen den Serracs runter zur Hüttenautobahn, den Gegenanstieg muss man schon noch auf sich nehmen.
Mit nettem italienischem Ambiente und klaren Ansagen des Hüttenchefs ging es gut gestärkt nach lecker Pasta e Carne ins Bett.
Tag1: Strecke: 9,5 km; Aufstieg: 952 Hm; Abstieg: 1.359 Hm; Gesamtdauer: 10:36 h
Leider war es fast unmöglich zu schlafen, denn die ersten Alpinisten in der sehr hellhörigen Holzhütte machten sich bereits um 2:30 Uhr auf, um den Sonnenaufgang auf dem Castor zu fotografieren. Dennoch waren wir froh ein richtiges Bett gehabt zu haben, denn die letzten mussten auf der Bank im Essensaal schlafen.
Nach reichlich Tee und gut gestärkt ging es mit den schweren Beinen vom Vortag doch überraschend gut zurück aufs Gletscherplateau und gleich rechts rauf in Serpentinen auf den Castor mit 4.228 m. Super Bedingungen, also kein Blankeis, sondern noch schöner Firn, dafür aber ein starker Wind erwartete uns am sehr schmalen Gipfelgrat nach 2:20 Stunden von der Hütte aus. Deshalb machten wir am Gipfel in den Wolken keine Pause, sondern stiegen gleich wieder ab und querten zum Einstieg für den Pollux.
Nach ein paar Metern im steilen Eis ging es über schönen leichten Fels zur mit Ketten entschärften Schlüsselstelle, in der uns von einigen Bergsteigern ganz schön etwas vorgezaubert wurde. An der Madonna zogen wir die Steigeisen wieder an für die letzten 40 Hm.
Geschafft - der Pollux war erklommen. Jetzt nur noch zurück zur Bahn und zack sind wir auf der Hörnlihütte, dachten wir. Doch der lange Hatsch von fast 10km mit einem Gegenanstieg der zwar nur 200 Hm ausmacht, aber gefühlt nicht endet und der immer weichere Schnee, der einen teilweise bis zur Hüfte einbrechen ließ, kosteten sehr viel Kraft. Und ja, der weiße Schnee war weicher und tiefer als der mit dem braunen Sand drauf 😁.
Aber wir hatten den Hüttenzustieg zur Hörnlihütte auf 3.250 m noch vor uns (2h / rd. 700 Hm). Erneut kamen wir mit letzter Kraft bei der Hütte an und besonders der, der das Seil trug, brauchte erst mal eine Rivella😊
Tag2: Strecke: 13,0 km; Aufstieg: 2.281 Hm; Abstieg: 1.168 Hm; Gesamtdauer: 9:50 h
Nach zwei so anstrengenden Tagen waren wir nicht sicher, ob wir das Matterhorn noch angehen sollten. Die Zeit auf der Hütte wollten wir für die Erholung nutzen und so ließen wir die Erkundung des schwierigen Weges bei Tageslicht aus. Das Wetter war perfekt für den nächsten Tag und so entschieden wir uns einen Versuch zu wagen.
Unsere Strategie war wie folgt:
- den Tag unter der Woche mit perfektem, stabilen ganztägigem Wetter wählen (ursprünglich wollten wir erst einen Tag später hoch) um genügen zeitlichen Puffer nach hinten zu haben; nicht zu viel Schnee, damit alle fixen Taue und Abseilstände verfügbar sind.
- Wegefindung im Dunklen durch gleiches Tempo genau hinter den Bergführern und gehen am kurzen Seil im I und II-er Gelände
- Keine Pausen bis zum Solvay Biwak, d.h. bereits ins Seil eingebunden, perfekte Kleidung, kein Umziehen, Trinken per Schlauch, Riegel bereits in der Tasche, um nicht den Anschluss zu verlieren.
- Minimales Gepäck, wirklich nur was man wirklich braucht.
Die neue Hörnlihütte ist wirklich sehr gut organisiert und stellt jedem Boxen zur Verfügung. - Übrigens gab es auf beiden Hütten keine getrennten WC- / Waschräume mehr.
Der legendäre hierarchische Start von der Hütte für uns um 4:15 Uhr und die ersten Staus an der ersten Steilstufe mit fixem Tau, waren wie erwartet komisch, aber für den Hörnligrat eben total normal. Als private Seilschaft waren wir eher der Exot. Gesagt getan und da es super klappte, standen wir nach 5:11 h am Gipfel des Matterhorns.
Ein langer Traum wurde wahr. Doch eine ganz besondere Vorsicht war geboten am schmalen Gipfelgrat, bei Böen von bis zu 80 km/h. Die Föhn-Fische zeigen dies auch deutlich an.
Der Abstieg war von der Wegefindung nicht einfach. Wir haben kleine Umwege gemacht, die dadurch auch schwerer wurden und einige Male haben wir auch aus Sicherheitsgründen abgeseilt. Insgesamt haben wir doch 6:28 h nach unten gebraucht. Mit einer Seilschaft aus Tirol und einer aus dem Allgäu zusammen war es aber gutes Teamwork.
Tag3: Strecke Hütte - Gipfel - Hütte: 4,20 km; Aufstieg: 2.405 Hm; Abstieg: 2.430 Hm; Gesamtdauer: 13:22 h.
Weil wir nicht nochmal 150 CHF für eine Nacht p.P. zahlen wollten, sind wir dann doch einfach am selben Tag über Zmutt abgestiegen (die letzte Bahn um 17 Uhr war schon weg) und nach Hause gefahren. Danke an Sven für die solide Heimfahrt nach den ganzen Strapazen!
Strecke von der Hörnlihütte nach Zermatt: 10,76 km; Aufstieg: 60 Hm; Abstieg: 1.700 Hm; Gesamtdauer 3:16 h.
Fazit: Das Matterhorn ist ein wunderschöner Berg, den man als Alpinist natürlich besteigen will, aber einmal im Leben reicht 😊.
Horrido Euer Raoul