Tag 4 – Großer Löffler
10 h all-in | 16 km | 1.220/2.030 Hm | PD
B l a u e r H i m m e l ! Endlich. Wir starten um 6.30 Uhr hoch motiviert zu unserem großen Löffler-Finale und stehen diesmal schon nach anderthalb Stunden fertig angeseilt auf 2.700 m. Heute heißt es schnell sein – vor uns türmt sich eine wahre Gletscherwand auf, gute 500 Höhenmeter ragt das Floitenkees mit durchgehend über 30, teils fast 40 Grad hinauf. Dank des üppigen Schneefalls in den Hochlagen können wir uns gnädigerweise nicht nur auf einer stabilen Auflage aus bestem, festen Stapfschnee nach oben arbeiten, auch das Spaltenwirrwarr bleibt uns erspart, das den technisch einfachen Aufstieg bei Ausaperung schnell anspruchsvoll macht.
So ackern wir uns in nicht enden wollendem Zickzack immer Richtung Südosten die imposante Gletscherflanke hinauf, gewinnen schnell an Höhe und stoßen schließlich auf etwa 3.200 m Höhe auf die Felsen der Tribbachspitze, unter welchen wir noch ein paar Minuten nach Norden queren, bis wir einen geeigneten Punkt finden, in den Fels einzusteigen.
Zuerst überwinden wir einen kurzen Felsaufschwung und werden endlich von den ersten, über den Grat wandernden Sonnenstrahlen begrüßt. Danach geht es in steilen Firnfeldern auf Händen und Füßen (bzw. Steigeisen und Pickeln) 100 Höhenmeter bis auf ein kleines Plateau, das uns schon einen Vorgeschmack auf’s Gipfelpanorama liefert. Kurz durchschnaufen und noch einen letzten Steilaufschwung in Schnee und Fels überwinden – da dieser komplett in der Sonne steht und der Schnee schnell an Qualität einbüßt, entschließen wir uns im Fels zu bleiben und kraxeln nahe an der steil abfallenden Ostwand nach oben, jedoch nie wirklich ausgesetzt.
Der Gipfel selbst entpuppt sich als ziemlich breiter, gut gangbarer Schutthaufen mit feiner, windgeschützter Sitzecke direkt am Gipfelkreuz. Die Sicht ist etwas diesig, ab und an ziehen Wolken durch, aber alles in allem ist sie: phantastisch. Wir haben schlagartig alle Schlechtwettererinnerungen vergessen und sind uns nicht einig, was nun die beste Blickrichtung ist – im Norden das Zillertal, im Osten Dreiherrenspitze und die Tauern mit Venediger und Glockner, im Süden, weit unter uns, die Grünen Berge des Arntals und im Westen der Blick zurück auf den Schwarzenstein und die Errungenschaften der vergangenen vier Tage.
Von hier oben haben wir auch beste Einblicke in unsere Abstiegsroute des Vortags, und was sich im Nebel als wahrliches Abenteuer präsentierte, verliert ohne die Furcht vor dem Unbekannten sehr viel seines gestrigen Schreckens.
Wir beschließen, das gute Wetter zu nutzen und noch zur Tribbachspitze hinüberzugehen (Nächster 3.000er, check.), lassen auch hier nochmal den Blick schweifen und machen uns entlang des Felsgrates in leichter Kletterei weiter gen Gletscher.
Anseilen, Abfahrt – während wir uns die ersten 200 Höhenmeter noch in vom Aufstieg gewohntem Zickzack nach unten bewegen, nehmen wir irgendwann die sportive Abstiegsvariante und überwinden so den kompletten Gletscher in etwas über 20 Minuten in mehr oder weniger direkter Falllinie. Wir blicken zurück auf den wahrlich großen Großen Löffler, packen Seil, Gurt und Metall in die Rucksäcke und schreiten zur Greizer Hütte, die uns noch ein deftiges Mittagessen beschert, bevor wir und an den 12 km langen Talhatscher machen. Oder zumindest einen Teil davon – da es bereits Nachmittag ist, wird uns auf halbem Weg ein Ruftaxi an der Steinbachalm abholen.
Wir verabschieden uns von der sehr sympathischen Hüttencrew und bewältigen schnell die steilen 350 Höhenmeter von der Hütte nach unten in den Floitengrund. Die dort auf uns lauernden Temperaturen spielen in ihrer Gradzahl in ähnlichen Regionen wie die Steilheit der zurückliegenden Gletscherhänge, und wir schicken uns an, auf breitem Pfad und bald dem Forstweg der Materialseilbahn die letzten 6 Kilometer unserer Reise abzuspulen.
Der Berliner Hochtourenweg (Arbeitstitel!) ist ein toller Weg. Die immervollen Hütten entlang des Berliner Höhenwegs jeden Morgen zu verlassen und alsbald in Stille und Abgeschiedenheit einsame Gipfel zu besteigen war eine tolle Erfahrung, mit all ihren Strapazen und Anforderungen. Ich bin nur froh, dass wir vom 2,5-Tage-Plan abgewichen sind, und in mir wächst ein Gedanke: Je mehr man sich Zeit lässt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, einen schönen Tag zu erwischen.